Suchen
Archiv

Über das Himmelfahrtswochenende hatten wir Besuch aus unserer Partnergemeinde St. Pierre d´Albigny. Dazu wurde ein umfangreiches Programm ausgearbeitet, da sich neben den Besuchern für die Remstalgartenschau auch eine Gruppe von Orgelfreunden angesagt hatte. Für Diese hatte Herbert Häbich ein außergewöhnliches Programm für die zwei Tage zusammengestellt. Ein lang geäußerter Wunsch der Orgelfreunde ging damit endlich in Erfüllung. Sie wollten die Orgeln in der Nähe der Partnergemeinde erkunden und wenn möglich sogar bespielen.

Mit etwas Verspätung konnten wir dann an Himmelfahrt die angereisten Gäste auf dem Wiesenfest des Musikvereins begrüßen. Nach der Quartierverteilung blieben die meisten Gäste noch zum Abendessen und gemütlichen Beisammensein auf dem Fest.

Am Freitag ging es kurz nach 9:00 Uhr für die beiden Gruppen getrennt los. Die Orgelfreunde fuhren zunächst nach Ludwigsburg in die Oscar-Walcker-Berufsschule für Orgelbauer. Deutschlands einzige Berufsschule für Orgel- und Harmoniumbauer – einzige Meisterschule der Welt mit Schülern sogar aus China, Indien und einem Schüler aus Afrika. „Alle, die hier bei uns lernen, sind mit Leib und Seele dabei“, sagte Schul- und Werkstattleiter Kaul.  Kein Wunder, die UNESCO hat das Orgelbau-Handwerk der Ludwigsburger Berufsschule zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt und Orgelbau und Orgelmusik in die UNESCO-Liste aufgenommen. Die Übersetzung für den gesamten Tag hatte dankenswerter Weise Knut Bormann übernommen.

Werkstattleiter Marcus Kaul erwartete uns, trotz der Schulferien, am Eingang und zeigte uns zu Beginn die Schätze der Schule. Unschätzbare Werte an Saiten- und Pfeifeninstrumente leiden unter Geldknappheit unseres Bildungssystems. Die Schule bietet den Schülern das gesamte Werkzeugspektrum vom Lötkolben bis zur CNC-Maschine. Die Schreinerwerkstätte, leider ohne Schüler an diesem Tage, war solch ein Muster an Sauberkeit, kein Sägespänchen war zu sehen. Der Raum für den Schulunterricht barg eine Überraschung. Wurde die Tafel hochgefahren, kam das Manual einer Orgel zum Vorschein, bei der der Wind nach alter Tradition händisch erzeugt wurde. Patrick Peiffer, der Leiter des Vereins der Orgelfreunde aus St. Pierre, hat sie sofort bespielt. In der Metallwerkstatt werden die Pfeifen aus diesem Werkstoff hergestellt. Zuerst werden dünne Metallplatten aus Blei und Zinn dazu gegossen, gehobelt zu Rohren gebogen und verlötet. Der absolute Höhepunkt war die sogenannte Schulorgel – es war eher ein Orgelpalast. Mehrere Orgeln sind vernetzt und können gemeinsam erklingen. Man kann beispielsweise 40 Register mit 2240 Pfeifen zu einem einheitlichen Klangbild ertönen lassen.  Noch ist die endgültige Orgel nicht vollständig. Zwei Register müssen noch in den Meisterkursen gebaut werden. Keine noch so kleine Drehorgel im Saal wurde von den Spielern nicht ausgelassen.

 Nach dem Mittagessen besuchten wir die Orgelbaufirma Lenter in Sachsenheim. In der großen Halle wurde eine jahrhundert Jahre alte Orgel restauriert, bei der in den 50er Jahren das letzte Mal Hand angelegt worden war. Für die Erweiterung des Spieltisches wurde damals mit einer Motorsäge das Instrument traktiert. Jetzt hat das Landesdenkmalamt das erste und letzte Wort. Herr Lenter erklärte uns die Funktion aller Bauteile und das Problem bei einer Restauration, da nicht klar ist, in welche Musikepoche so ein altes Instrument zurückgebaut werden soll. Ein kleines Schmankerl wartete auf die Orgelfreunde in der Abteilung Harmonium. Zuerst ein Instrument amerikanischer Bauart. Unter Orgelbauer spöttisch „Halle-lu-ja-pfeife“ genannt. Doch unter einer großen Decke kam ein gewaltiges Harmonium französischer Produktion hervor. Ehrfurchtsvoll staunte die Gruppe. Die französischen Organisten/Innen mussten ran um das dynamisch erklingende Instrument zu bespielen. Das Problem bei der Restauration, es gibt für diese fabrikmäßig gebauten Instrumente keine Literatur, alles war Fabrikgeheimnis. Man ist auf sein schwäbisches Tüfteltalent angewiesen. Schwierig sei es, meinte Herr Lenter, Lehrlinge für den schönen Beruf zu finden. Der Bau einer Orgel kann zwei Jahre dauern und diese Geduld ist bei der heutigen Generation der Jugendlichen selten zu finden.

Die Gruppe für die Remstalgartenschau machte sich zeitgleich auf den Weg nach Plüderhausen, zur Besichtigung des „Hochzeitsturms“ und anschließend nach Schorndorf. Nach einem Rundgang durch die Stadt und über den Marktplatz ging es in die wunderschöne Blumenschau im Schlosskeller – von dieser Ausstellung waren alle restlos begeistert.

Beide Gruppen trafen sich am Abend in der Lutherkirche in Fellbach wieder. Dort wartete ein besonderer Hörgenuss auf uns alle. Die neue Orgel der Lutherkirche Fellbach hat einen historischen, denkmalgeschützten, süddeutschen Prospekt aus dem Jahre 1779 von Johann Jakob Weinmar- Bondorf. Die Orgel selbst wurde von Orgelbau Lenter GmbH aus Sachsenheim neu erbaut. Der Organist Thilo Frank wollte die Orgel ganz pragmatisch vorspielen und spielerisch die Musik der typischen klanglichen europäischen Orgellandschaften, soweit es möglich ist hörbar machen, wie italienische, spanische, französische Musikstile. Auch süddeutsche, Bach´sche Musik, solche der deutschen Romantik sollten demonstriert werden. Von Caspar Kerll über Bach bis zu Mendelssohn-Bartholdy. Thilo Frank scheint mit seiner Orgel verwachsen zu sein.  Im Voraus hatte er schon die Register der Fellbacher Orgel mit der in St. Pierre verglichen und festgestellt, dass die Orgel der Partnergemeinde eine deutsche sei. Im Anschluss spielten Dominique Berberis, Fabienne Judong und Patrick Peiffer aus der Partnerstadt. Da sprang der Funke endgültig über und Thilo Frank wurde  spontan zum Gegenbesuch nach St. Pierre eingeladen. Er wird dort die Orgel in der Kathedrale von Chambery bespielen.

Am Samstagmorgen wurde die neue Trefzorgel in St. Stephanus in Oppenweiler besucht. Sie ist ein echtes Kind aus Rommelshausen. Kantor Weiser erwartete uns schon gespannt und führte uns in die neue Orgel ein. Frau Bühler, die Frau des früheren Hauptamtsleiters aus Kernen, übersetzte für die französischen Gäste. Beeindruckend für die Laien war das Öffnen und Schließen der Windlade zu beobachten. Mit ihr kann die Lautstärke der dahinter sich befindlichen Pfeifen mittels Fußpedal beeinflusst werden. Zuerst spielte Herr Weiser, der nach seiner Aussage immer noch frisch verlobt mit seiner Orgel ist, eine halbe Stunde aus seinem vorzüglichen Repertoire. Dann spielten die Gäste – Fabienne wie immer die Pedale barfuß. Anschließend führte uns Bürgermeister Bühler, der frühere Hauptamtsleiter von Kernen, durch sein neues prachtvolles Amtsgebäude – das Wasserschlösschen von Oppenweiler. Während dieser Zeit spielten die Orgelfreunde noch gemeinsam fast eine Stunde lang. Damit geriet der Zeitplan endgültig aus den Fugen.

Zurück in Stetten wurden die Gäste zum Mittagessen von der Gemeinde Kernen in die Besenwirtschaft Felden eingeladen. Am Nachmittag folgte eine Einführung in die Ausstellung in der evangelischen Kirche. In der kühlen Kirche fiel es den Zuhörern nicht schwer den Ausführungen von Andreas Stiene zu den Exponaten zu folgen. Leider kam die Besichtigung der Orgel in Stetten aus Planungsgründen zu kurz. Sie hätte mehr verdient. Schade.

Das gemeinsame Abendessen im Burgstüble, bei sommerlichen Temperaturen, bildete den geselligen Abschluss des Besuchs.

Am Sonntagmorgen fuhr die Gruppe wieder zurück nach Savoyen. Besonders die französischen Orgelfreunde waren von dem Aufenthalt begeistert und haben spontan alle Orgelfreunde und Organisten im Herbst nach St. Pierre eingeladen. Ein solches Event hatten sie wohl nicht erwartet.

Kommentieren ist momentan nicht möglich.