Suchen
Archiv

Als an Pfingsten 1972 die Partnerschaft zwischen Stetten und St. Pierre d’Albigny besiegelt wurde, war Versöhnung angesagt

Kernen-Stetten. In 40 Jahren Partnerschaft zwischen Stetten und St. Pierre d’Albigny sind aus Begegnungen Freundschaften gewachsen. 124 Gäste kamen am Wochenende zur Jubiläumsfeier, darunter Bürgermeister Jean-Michel Borgel und drei Gemeinderäte. Das Motiv der Kriegsgeneration, dass Deutsche und Franzosen sich im Kleinen verstehen lernen, ist mit dem Projekt Partnerschaft zur Erfolgsgeschichte geraten. Bürgermeister Borgel knüpfte in seiner Rede hier an: „Ich glaube, dass der Erfolg Europas auf dem Gang der Geschichte beruht, die von zwei Händen in Form gemeinsamer Projekte geschrieben wird.“


„Santé“ mit Trollinger – ein Hoch auf die deutsch-französische Freundschaft. Es prosten

sich zu Schultes Stefan Altenberger (von links), Bürgermeister Jean-Michel Borgel, der
Präsident des Partnerschaftsvereins Vivian Pichard und Sabine Urbanke, Vorsitzende des

Partnerstadtvereins in Stetten. Foto: ZVW

Zwei Tage lang feierten Deutsche und Franzosen in Stetten familiär-gesellig den 40sten Geburtstag ihrer Freundschaftsbande. Der kulinarische Weinweg, das Stuttgarter Daimler-Benz-Museum, baugeschichtliche Führungen durch den Flecken, ein Festbankett und ein deutsch-französisches Chorkonzert in der Dorfkirche rahmten die Feier ein. Beinahe ein Dorffest war es: 45 Stettener Familien machten Betten frei. In der Langen Straße flatterten die Nationalflaggen aus zwei Wohnungsfenstern.

Die sanierte Glockenkelter bot dem Festakt einen glanzvollen Rahmen. Neben Bürgermeister Jean-Michel Borgel, erstmals zu Besuch in Stetten, waren die Gemeinderäte Pierre Guidat, Danielle Brun und Eric Delescluse angereist. Landtagsabgeordneter Jochen Haußmann und Kernener Gemeinderäte standen auf der Gästeliste.

Nicht alle in St. Pierre nahmen das Angebot zur Verständigung an

Im sprichwörtlichen Schwabenalter, das ab 40 ja höhere Einsicht verspricht, ist die deutsch-französische Liebesbeziehung angekommen. Und doch sei das Bild schief und auf die Jumelage so nicht übertragbar, rückte Partnerstadtvereins-Chefin Sabine Urbanke zurecht. Schon vor 40 Jahren nämlich hätten die Gründer der Städtepartnerschaft „etwas sehr Weises, Kluges und Vorausschauendes unternommen – sie haben diese Partnerschaft beschlossen“.

Der rege Austausch, gemeinsame Fahrten nach Berlin, Straßburg und Brüssel, die über Jahre gewachsene Verbundenheit und Kontakte zwischen Familien und Vereinen seien ohne die klugen Initiatoren der Gründerzeit nicht denkbar. Und dass deren Auftrag, die „Festigung der Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland als Beitrag zur Einheit Europas“ voranzubringen, auf höchster Ebene weiter gedeiht, belege der Antrittsbesuch von François Hollande in Berlin am Tage seiner Amtseinführung als französischer Staatspräsident.

Die festfreudigen Franzosen begehen auch privat die „Noces d’émeraudes“, den 40sten Hochzeitstag, mit viel Pomp. So passte dieses Bild, das der Präsident des Partnerschaftskomitees, Vivian Pichard, in seiner Rede aufgriff, perfekt zum Festtag in Stetten. „Das lange Bestehen der Partnerschaft zeigt uns, dass die Verantwortlichen unserer Vereine über Jahre hinweg Projekte angingen, die mit der Gesellschaft und den Zeitläuften auf einer Wellenlinie lagen“, sagte er. Freilich: Vor 40 Jahren seien die Fragen zu den Unterschieden anders gestellt worden als heute. Es habe nicht dieselben Schwierigkeiten gegeben. Und auch die Bedürfnisse seien damals andere gewesen. Pichard führte dies im Grußwort der 67 Seiten starken prächtigen deutsch-französischen Jubiläums-Festschrift weiter aus: Das 40-jährige Jubiläum weise in die Zukunft. „Ja, wir teilen mit unseren Zeitgenossen ihre Sorgen und Fragen.“

So wie Richard von Weizsäcker 1985 den 8. Mai zum „Tag der Befreiung“ erklärte, feiern die Franzosen schon seit Jahrzehnten am 8. Mai den Sieg über Hitlerdeutschland. Eine Straße, die im savoyardischen Weinort St. Pierre d’Albigny zum Kriegerdenkmal führt, erinnert an die „Martyrs des Frasses“ unter der deutschen Besatzung. Dieses historische Erbe rief Bürgermeister Jean-Michel Borgel in Erinnerung, als er die Devise der um Aussöhnung bemühten Pioniere der Nachkriegsjahre zitierte: „Nie wieder!“

Borgel: „Die aktuelle Situation in unseren Ländern ist schwierig“

Die Idee war, wie der Partnerschaftsmotor auf französischer Seite, Michel Ménard, erinnert, in etlichen Familien in St. Pierre auf erbitterte Ablehnung gestoßen. Doch im Partnerschaftsverein und auf Gemeindeebene wurde sie gelebt. Und wie! Die Stettener belegten sogar Französisch-Kurse.

Es warten heute neue Herausforderungen. Für Bürgermeister Borgel könnten die kleinen lokalen Partnerschaftsbande einen Beitrag leisten, um die Probleme im europäischen Maßstab zu meistern: „Die Situation in unseren Ländern ist schwierig, die Jugendlichen sorgen sich um ihre Zukunft, die Erwachsenen sind gebeutelt, die Krise des Systems kommt offen zum Ausbruch. Da ist der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit, die wachsende Armut. Wir müssen weitermachen, unbeirrt unseren Weg gehen.“

Schultes Stefan Altenberger zitierte das französische Sprichwort „Wer keine Freunde hat, lebt nur zur Hälfte“. Dass so viele französische Jugendliche unter den Gästen seien, freue ihn besonders. „Dies ist ein starkes Zeichen für die Zukunft Europas und unsere Städtepartnerschaft.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom Hans-Joachim Schechinger, vom 29.05.2012

Kommentieren ist momentan nicht möglich.